Kranke Kinder in die Kita?

Viel häufiger als an den „klassischen“ ansteckenden Kinderkrankheiten wie Masern, Windpocken, Röteln, Ringelröteln erkranken Kindergartenkinder an so genannten “banalen“ Infekten der oberen Luftwege mit Schnupfen, Husten und etwas Fieber, oder auch an Durchfallerkrankungen. Wenn solche Krankheiten plötzlich auftreten, stellt sich für Eltern und Erzieher die Frage, ob das Kind die Einrichtung besuchen soll.

Einen „Plan B“, der im plötzlichen Krankheitsfall eine Betreuung des Kindes außerhalb der Kita sicherstellt, sollten alle Eltern haben. Berufstätige Eltern können vom Arbeitgeber nach § 616 BGB vorübergehend zur Pflege ihres Kindes freigestellt werden. Details sind in tarifvertraglichen Bestimmungen geregelt.  Wenn man dies nicht in Anspruch nehmen kann oder will, sollte eine dem Kind vertraute Person kurzfristig zur Verfügung stehen können. Diese Idealvorstellung und die Realität sind allerdings mitunter nicht identisch.

Nach welchen Kriterien sollte nun entschieden werden, ob das Kind der Kita fernbleibt? Die Entscheidung sollte immer vom Kind aus denkend getroffen werden.

Allgemeine Empfehlungen

Wegen eines banalen Schnupfens ohne weitere Symptome und ohne offensichtliche Beeinträchtigung des Allgemeinzustands müssen Kinder nicht zu Hause bleiben. Aber ein offensichtlich akut krankes Kind gehört nicht in eine Kita oder Krippe. Eltern und Bezugspersonen, die das Kind sensibel und verantwortungsvoll begleiten, können dies anhand der Beobachtung des Kindes wahrnehmen und verlässlich einschätzen. Das gilt wenn

  • Fieber über 38,5 Grad im Ohr oder rektal gemessen wird;
  • das Fieber tags zuvor oder in der Nacht plötzlich aufgetreten ist (denn dann kann man noch nicht absehen, in welche Richtung sich die Symptomatik entwickelt, und das Kind bedarf besonderer Beobachtung);
  • Durchfall und / oder Erbrechen akut aufgetreten sind und fortbestehen;
  • das Kind ganz offensichtlich deutlich beeinträchtigt ist und unter seinen Symptomen leidet.

Wenn ein Kind während der Kita-Betreuungszeit erkennbar krank aussieht, sich entsprechend verhält oder Fieber entwickelt, sollte die Abholung in eine vertraute Betreuung veranlasst werden.

Diese Empfehlungen gelten gleichermaßen, wenn über eine Wiederzulassung entschieden werden muss.

Ein weiteres Symptom, das häufig an eine infektiöse Ursache denken lässt, ist ein plötzlich auftretender Hautausschlag (Exanthem). Wenn sich nicht gerade eine andere Erklärung aufdrängt, ist hier Vorsicht geboten und der Gang zum Kinder- und Jugendarzt anzuraten- aber nicht, um sich eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ abzuholen. Erforderlich ist ein geschulter, fachlicher Blick auf das genaue Erscheinungsbild, eine gezielte Befragung der Eltern und vor allem das Einbringen von Kenntnissen über die Gesundheitssituation des Kindes. Der Kinder- und Jugendarzt wird eine (Verdachts-)Diagnose stellen und den Eltern auch eine Empfehlung zum Kitabesuch geben, nötigenfalls auch davon abraten. Das wird der Fall sein, wenn ursächlich eine meldepflichtige und damit für die Gemeinschaft nicht unbedenkliche Infektionskrankheit vermutet werden muss, oder wenn das Kind unabhängig von der Ursache deutlich krank erscheint. Wenn der Kinder- und Jugendarzt nicht vom Kitabesuch abgeraten hat und die Eltern das Kind in die Einrichtung bringen, sollten sie selbstverständlich darüber informieren.

„Banale“ oder bedeutsame Infektionserkrankung?

Besonders im Frühstadium ist die Abgrenzung einer „banalen“ Erkrankung von einer für Kind und Umgebung bedeutsamen bis gefährlichen Infektionserkrankung schwierig. Bei alledem ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erziehern Voraussetzung für eine dem Wohl des Kindes entsprechende und angemessene Entscheidung. Falls fiebersenkende Medikamente oder Maßnahmen angewendet worden sind, bevor das Kind in die Einrichtung gebracht wurde, ist das mitzuteilen. Den richtigen Weg zwischen zu großer Vorsicht und leichtfertiger Nachlässigkeit zu finden, ist nicht immer leicht. Zu bedenken bleibt, dass letztlich ein krankes Kind auch nicht vom noch so interessant gestalteten Kindergartenalltag profitiert und andere Kinder anstecken könnte. Besonders anfällig ist es zudem selbst für die Infektionen anderer Kinder.

Ansteckung von Beschäftigen; Impfungen

Das Ansteckungsrisiko für Beschäftigte und Betreute im Kindergarten ist zu relativieren. Atemwegsinfektionen betreffen vor allem Kleinkinder und viel weniger Erwachsene. Die altersbezogene Häufigkeit allein von Atemwegsinfektionen liegt für gesunde Kinder bis zu drei Jahren bei 6 mal pro Jahr, danach bis zum Grundschulalter bei ca. 5 mal im Jahr.

Gegen sehr viele relevante Infektionen kann man sich durch Impfung wirksam schützen. Für Beschäftigte wird bei der Einstellungsuntersuchung auf einen immer zu empfehlenden vollständigen Impfschutz hingewirkt, soweit er noch nicht vorhanden ist. 

Das Infektionsschutzgesetz wurde im Gefolge des Präventionsgesetzes um einen Absatz erweitert, nach dem Eltern vor Aufnahme in eine Kita nachzuweisen haben, dass Sie in Bezug auf den altersgemäßen Impfschutz ihres Kindes beraten wurden.

Besonderheiten bei Ringelröteln

Ringelröteln stellen eine Infektionskrankheit dar, die sehr häufig im Kindergartenalter auftritt und bei gesunden Kindern harmlos verläuft. Für Schwangere bzw. das ungeborene Kind kann die Infektion jedoch gefährlich werden.

Das auslösende Virus ist weltweit verbreitet, und in unserer Region sind ca. zwei Drittel der Menschen über 20 Jahre immun. Das Virus überträgt sich nicht wie Masern oder Windpocken „als Tröpfcheninfektion“ schon durch die Luft, sondern vor allem über Nasen-Rachensekret bei engem körperlichen Kontakt. Durch Anleitung zu spezifischen Hygienemaßnahmen und durch Vermeiden von Speichel- und Urinkontakt kann das Risiko einer Infektion deutlich verringert werden.

Daher ist es besonders wichtig, bei Verdacht auf Ringelröteln umgehend die Einrichtung zu informieren, ggf. auch schwangere Mütter von anderen Kindergartenkindern.

Erzieherinnen werden in der Regel vor Eintritt in das Berufsleben durch den arbeitsmedizinischen Dienst auf das Risiko von Ringelrötelninfektionen in der Schwangerschaft hingewiesen; vielfach wird durch eine Blutuntersuchung geprüft, ob bereits Antikörper vorliegen. Leider steht bisher noch kein Impfstoff zur Verfügung. Eine wirksame Vorbeugung ist nicht möglich, da Kinder am ansteckendsten vor Ausbruch des Hautausschlages sind. Bei erfolgter Infektion während einer Schwangerschaft ist ärztliche Behandlung nötig und hilfreich.

Informationsquellen; Links

Zu den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen findet man Erläuterungen auf der homepage des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de), desgleichen zu Indikationsimpfungen für Erzieher und Beschäftigte in Krippen (es handelt sich hier um Impfungen, die aus arbeitsmedizinischer Sicht für das Setting Kita empfohlen werden).

Informationen zu meldepflichtigen Erkrankungen (z.B. Masern, Windpocken) und zur Wiederzulassung nach Infektionskrankheiten finden Sie auf dieser Plattform unter http://kita-gesundheit.de/hygiene-und-infektionsschutz/meldepflichten-wiederzulassungsrichtlinien/.

Durch das jeweils zuständige Gesundheitsamt können Fragen und Anliegen zum Themenbereich Hygiene, Impfen und Infektionsschutz beantwortet und entsprechende Beratung geleistet werden.

Ärztliche Atteste

Der § 34 des Infektionsschutzgesetzes fordert keine schriftliche ärztliche Bescheinigung. Die Einschränkungen des Kindergartenbesuchs gelten prinzipiell solange, bis „nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der (meldepflichtigen) Krankheit durch den Betroffenen nicht mehr zu befürchten ist“.

Zu den nicht vom Infektionsschutzgesetz erfassten Krankheiten enthält der Ratgeber des Robert-Koch-Instituts (RKI) keine Angaben. Ganz allgemein gilt, dass dem Anspruch der Allgemeinheit, vor Ansteckung geschützt zu werden, das Recht des Einzelnen auf Bildung gegenübersteht. Darüber hinaus besteht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In der ausklingenden Phase einer Erkrankung wird man darüber besser und angemessener entscheiden können als in der Frühphase, in der man noch nicht absehen kann, wohin sie sich entwickelt. Die Verhältnismäßigkeit ist zu betonen, da der weit überwiegende Teil von Kita-Infekten für ein altersgemäß geimpftes Kind ohne Abwehrschwäche nicht gefährlich wird.

Wann nach einem gewöhnlichen fieberhaften Infekt der Kita-Besuch wieder möglich ist, richtet sich nach denselben Kriterien, die oben unter „allgemeinen Empfehlungen“ ausgeführt sind. Für mehrfaches Erbrechen und Durchfall, bei dem man keine andere offensichtlich erklärende Ursache hat als eine Infektion, gilt als Anhaltspunkt, dass das Kind etwa zwei Tage davon frei sein sollte.

Wenn ein Kind so stark erkrankt ist, dass kein Kita-Besuch möglich erscheint, wurde oder wird es häufig dem Kinder- und Jugendarzt vorgestellt. Dieser kann eine Diagnose stellen und wird eine Bewertung, eine Prognose und  Verhaltensempfehlungen geben. Sollten Meldepflichten zu beachten sein, wird er das übernehmen, ggf. weitere diagnostisch klärende Untersuchungen vornehmen und wenn nötig auf das vorübergehende Kindergartenbesuchsverbot hinweisen.

Nur, wenn das Kind in der Praxis vorgestellt wurde und wenn die RKI-Richtlinien ein ärztliches Attest für die Wiederzulassung empfehlen, gibt es eine Verpflichtung zur Ausstellung entsprechender Zeugnisse. Das ergibt sich zum einen aus dem Infektionsschutzgesetz, zum anderen aus der Nebenpflicht des Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient und der ärztlichen Berufsordnung.

Da diese Atteste grundsätzlich nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, muss das Attest in Rechnung gestellt und von den Eltern bezahlt werden.

Aus den genannten Gründen sollten sich Einrichtungen und Träger sehr gut überlegen, ob sie Atteste für Zulassung und Wiederzulassung wirklich benötigen. Auch hier gilt das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Aufwand, möglicher Aussagekraft und Kosten. Solche Atteste sollten eine Ausnahme darstellen und nur eingefordert werden, wenn eine offene und vertrauensvolle Kommunikation zwischen Sorgeberechtigten und Erziehern  nicht gegeben oder herstellbar erscheint.

Dr. Ulrike Horacek
Leiterin des Gesundheitsamts Kreis Recklinghausen

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